Für die Wahlzeitung zu den Studierendenparlamentswahlen 2022 durften wir einige Fragen beantworten. Unsere Antworten könnt ihr im Folgenden nachlesen.
Was sind eure Ziele in der Hochschulpolitik?
Wir wollen keinen Verwaltungs-AStA. Wir wollen einen AStA, der sich lautstark für unsere Belange einsetzt; nicht nur gegenüber unserem Universitätspräsidium, sondern auch auf Landes- und Bundesebene. Viele politische Entscheidungen, die dort getroffen werden, betreffen auch unsere Universität. Weltfremd ist daher, wer die Abschaffung des allgemeinpolitischen Mandats fordert. Denn auch wenn hochschulpolitische Anliegen das erste und oberste Interesse der Studierendenschaft sind, sind diese letztlich stets an grundsätzliche politische Fragen zurückgebunden. Wir setzen uns dafür ein, dass ihr selbstbestimmt studieren könnt, unabhängig von eurem finanziellen Hintergrund und ohne die kaum einhaltbare Regelstudienzeit im Nacken zu spüren.
In welcher Form wollt ihr euch für studentische Beteiligung an der Hochschule einsetzen?
Wir sehen, dass die demokratische Beteiligung der Studierenden an den universitären Entscheidungsprozessen ausbaufähig ist. Unserer Ansicht nach liegt das aber nicht an einem vermeintlichen Desinteresse der Studierenden, sondern an der Verfasstheit der Universitäten: Obwohl die Studierenden mit Abstand die größte Statusgruppe darstellen, haben sie bei Abstimmungen in den Gremien kein entscheidendes Gewicht – leicht können sie durch die Hochschullehrer überstimmt werden. Auch bekommen sie, anders als die Hochschullehrer, die dem zumindest innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit nachgehen können, keine Entschädigung für ihre Mitarbeit in den Gremien. Im Zweifelsfall wirkt sich ihr Engagement eher zu ihrem Nachteil aus, etwa wenn sie Professoren des eigenen Fachs widersprechen.
Für uns ist also klar: An der Gremienstruktur muss sich etwas ändern. Wir fordern die paritätische Besetzung der Gremien sowie Aufwandsentschädigungen für Studierende, die darin mitarbeiten!
Für wie wichtig haltet ihr das Studium in Präsenz und warum?
Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass der Online-Lehre klare Grenzen gesetzt sind. Denn das Studium lebt eben auch von Spontanität und einem regen Austausch von Angesicht zu Angesicht, der nicht beim Verlassen des Seminarraums abbricht. Wer studiert, verlässt häufig beengte familiäre und soziale Verhältnisse, zieht womöglich in eine neue Stadt, macht neue Erfahrungen. Die Teilnahme an einem lebendigen Campusleben führt auch dazu, auf andere Positionen, auf ungeahnte intellektuelle Anregungen zu stoßen, und all dies kann maßgeblich zur Mündigwerdung beitragen. Sicherlich ist das ein idealisiertes Bild der Präsenzuni, dennoch lässt sich festhalten, dass diese Bedingungen in der Online-Lehre kaum oder gar nicht gegeben sind. Die bisherigen Studien zur Online-Lehre, die eine Verschlechterung des Lernens konstatieren, bestätigen unseren Eindruck.
Was sind eure Forderungen in Bezug auf das Studieren unter Pandemie-Bedingungen?
Hier schließen wir uns im Wesentlichen den Forderungen des „Solidarsemester“-Bündnisses an, welches wir in unserer Arbeit entscheidend mitgestaltet haben. Wir fordern sowohl von der Uni als auch vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur endlich mehr Unterstützungsmaßnahmen, damit Präsenzlehre stattfinden kann. Dazu zählen unter anderem die Einrichtung eines Test- und Impfzentrums an den beiden großen Campus-Standorten, Luftfilter in den Seminarräumen, die Vergabe von FFP2-Masken an die Studierenden sowie die Anmietung neuer Räume zur Erweiterung der Möglichkeiten von Präsenzlehre. Darüber hinaus bedarf es weitgehender Entlastungen für Studierende: Die Semester unter Pandemiebedingungen dürfen nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet werden, die Erhebung von Langzeitstudiengebühren muss umgehend ausgesetzt werden, außerdem bedarf es zügiger, unkomplizierter und bedarfsgerechter finanzieller Unterstützung für Studierende.
Was ist politische Bildung?
Politische Bildung soll ermöglichen, dass sich Studierende über die Fach- und Seminargrenzen hinaus mit politischen Theorien, historischen Ereignissen oder philosophischen Problemen auseinandersetzen und gemeinsam ins Gespräch kommen. Die Universität soll dadurch zu einem Ort werden, der neben dem Studienalltag die Möglichkeit zu Diskussion und Streit bietet und so ein politisches und kritisches Bewusstsein befördert. Deshalb wollen wir nicht, dass politische Bildung komplizierte Inhalte auf wenige Schlagwörter reduziert oder Werbung für politische Parteien oder Aktivisten macht, sondern dass durch diese das kritische Nachfragen und die Urteilsfähigkeit jedes Einzelnen gestärkt werden. Das versuchen wir durch kostenlose und frei zugängliche Podiumsdiskussionen, Vorträge, Workshops und Filmveranstaltungen zu ermöglichen. In den letzten Jahren haben wir neben anderen Themen einen starken Fokus auf die Kritik des Antisemitismus sowie die Kritik der politischen Ökonomie gelegt.
Wie wollt ihr euch für die sozialen Belange der Studierenden einsetzen?
Prinzipiell sollte ein Studium das Individuum nichts kosten, denn eigene finanzielle Mittel sollten nicht über den Grad der Bildung entscheiden. Wir leben aber in einem System, in dem genau das der Fall ist. Deshalb fordern wir ein elternunabhängiges, den Bedarfen von Studierenden angemessenes BAföG. Es bedarf grundsätzlicher Reformen des BAföG, für die sich u.a. der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) und damit auch der von uns gestellte AStA mit der BAföG50-Kampagne einsetzt.
BAföG ist nur ein Thema der notwendigen politischen Arbeit für die sozialen Belange Studierender: Andere unserer Ziele sind die Verringerung der Semesterbeiträge, u. a. durch Abschaffung der Verwaltungskostenbeiträge und Langzeitstudiengebühren sowie mehr studentischer und sozialer Wohnungsbau. Dafür kann der AStA nicht isoliert arbeiten, sondern muss sich in Oldenburg mit anderen Akteuren und auf Landes- und Bundesebene, z. B. über die LandesAStenKonferenz Niedersachsen (LAK) und den fzs, vernetzen.
Was haltet ihr von Langzeitstudiengebühren und warum?
Wir begreifen das Studium nicht nur als Übergangsstadium für den Eintritt in den Arbeitsmarkt. Vielmehr sollte es beim Studieren zuallererst um Welt- und Selbsterkenntnis gehen, ohne welche eine vernünftige Lebenspraxis nicht möglich ist. Studierende, die aus Interesse an der Mündigwerdung studieren, ihr Studienfach wechseln oder schlicht keinen Seminarplatz bekommen, sollten nicht für eine verlängerte Studienzeit bestraft werden. Langzeitstudiengebühren sind Ausdruck einer Bildungsfeindschaft und gehören abgeschafft. Ohnehin ist die Regelstudienzeit seit jeher vollkommen unrealistisch angesetzt; so absolvieren durchschnittlich gerade mal circa ein Drittel aller Studierenden ihr Studium tatsächlich in der veranschlagten Zeit.
Was sind eure Forderungen in Bezug auf das Semesterticket?
Nur durch den Solidarcharakter des Semestertickets, also dadurch, dass alle Studierenden gleichermaßen dafür zahlen, ist es für diejenigen Studierenden, die dieses notwendigerweise für die Bewältigung des Alltags- und Unilebens benötigen, überhaupt finanzierbar. Eine Abkehr von diesem Prinzip steht für uns daher nicht zur Debatte. Dass sich viele Studierende gerade während der Pandemie über den Preis des Semestertickets ärgern, ist dennoch nur allzu verständlich. Statt aber das Semesterticket zu verabschieden, setzen wir uns für verbesserte Beförderungsbedingungen und günstigere Preise ein – das beinhaltet auch eine Einpreisung der momentan verringerten Fahrten mit dem ÖPNV. Im Hinblick auf diese Ziele wollen wir nicht nur auf ein Entgegenkommen der Verkehrsbünde setzen, sondern ebenfalls auf eine verbesserte Subventionierung des ÖPNV durch das Land Niedersachsen drängen.
Was bedeuten Studium und Universität für euch?
Die Universität ist Ort der Bildung und Wissenschaft. Sie steht aber nicht außerhalb der gesellschaftlichen Zusammenhänge und den damit verbundenen Zumutungen. So zielt sie auf die Ausbildung von fachbezogenem Wissen und Qualifikationen für den Arbeitsmarkt, reduziert einen Teil des Studiums auf ökonomische Zweckmäßigkeit und nötigt Studierende, ihr Studium möglichst effizient abzuschließen. Politisch wurde dies durch die Bologna-Reform und die Einführung von Effizienz- und Wettbewerbskriterien weiter verstärkt. Zudem gibt es viele Ausschlüsse durch die finanzielle Situation der Studierenden. Dazu gehören die mangelhafte Ausgestaltung des BAföG, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und Langzeitgebühren. Die Möglichkeit, dem eigenen Erkenntnisinteresse nachzugehen oder über Gelerntes zu reflektieren, wird so geschmälert. Auch wenn die Universität nicht außerhalb des Kapitalismus steht, wollen wir das Studium von diesen Zumutungen befreien und einen offenen Zugang zur Bildung schaffen.
Was würdet ihr als eure Kernthemen bezeichnen?
Als Linke Liste verstehen wir uns in der linken Tradition, für die soziale Frage einzustehen. Im Universitätskontext bedeutet das konkret, dass wir uns für die Verbesserung sowohl der realen Studienbedingungen als auch der materiellen Lage der Studierenden einzusetzen. Dabei gilt es selbstverständlich, nicht das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Schließlich sind politische Bildung und die studentische Beteiligung an den Entscheidungsprozessen zwei Bereiche, die wir als miteinander in Verbindung stehend betrachten. Die Mündigkeit jedes Einzelnen ist der Schritt in die Richtung einer besseren Gesellschaft.